Performance- und Lesereihe

Mit insgesamt vier szenischen Lesungen präsentiert der Verein Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater in Zusammenarbeit mit u.a. Label Noir und der Lettrétage eine literarisch-performative Veranstaltungsreihe mit Theatertexten aus Frankreich und Belgien. In verschiedenen Berliner Spielstätten laden die Veranstalterinnen zwischen März und Juli 2020 zu öffentlichen Paneldiskussionen, szenischen Lesungen und Performances. Im Mittelpunkt stehen vier eigens ins Deutsche übersetzte Texte von vier Autorinnen (Penda Diouf, Eva Doumbia, Rébecca Chaillon, Laetita Ajanohun), die sich das Konzept der „Afropéanité“, einer afro-europäischen Identität, auf unterschiedliche Weise künstlerisch aneignen.

In den letzten Jahren hat sich in Frankreich eine neue Generation von Dramatiker*innen herausgebildet: Rébecca Chaillon, Eva Doumbia, Penda Diouf und Laetitia Ajanohun stehen exemplarisch für vielseitige Künstlerinnen, die oft auch als Prosaautorinnen, Schauspieler- innen und Regisseurinnen arbeiten und sich dem Aktivismus verschrieben haben. Eine wichtige Vordenkerin ist Léonora Miano. In ihrem Werk ebnet die erfolgreiche Autorin aus Kamerun den Weg für eine neue Schwarze Identität und Geschichtsschreibung in Europa, und systematisierte den Begriff „Afropéanité“: eine afro-europäische Identität.

Was diese zeitgenössischen Theaterautorinnen in ihrer Aneignung des Konzepts „Afropéanité“ verbindet, ist die Suche nach einer Form der kulturellen Hybridität jenseits des Nationalstaatsprinzips, die den Blick auf die Auswirkungen des jahrhundertealten kolonialen Erbes lenkt und das Selbstbewusstsein von Künstler*innen subsaharischer Herkunft in der Diaspora stärkt.

In ihren Theater- und Performancetexten schaffen sie neben starken Frauenfiguren Perspektiven auf männliche Realitäten und zeichnen ein frappierendes Bild der strukturellen Unterdrückung, die Schwarze Menschen in der französischen Gesellschaft erleiden.

Rekurrierende Motive sind der objektifizierende Blick weißer Männer, rassistisch motivierte Diskriminierung in allen gesellschaftlichen Schichten und vielen staatlichen Institutionen, Polizeigewalt gegen Schwarze Jugendliche, rassistische Stereotype aus der Kolonialzeit und internalisierter Rassismus, aber auch die Lust an der Dekonstruktion einer Schwarzen Identität und afrofeministische Positionen.

Was vermag dieser neue Blick auf die Geschichte der Migration, des Ankommens und der Verwurzelung afrikanischer Kulturen im Frankreich des 21. Jahrhunderts aufzudecken? Wie können diese Narrative mit den gelebten Realitäten der afrodeutschen Community in Deutschland in Resonanz treten? Welche künstlerische Form verhilft ihnen zu mehr Sichtbarkeit auf deutschen und internationalen Bühnen? Welchen Einfluss haben diese Werke auf die Art und Weise, wie Schwarze Stimmen auf diesen Bühnen erfahren werden?

Einen wichtigen Beitrag leistet Drama Panorama: Forum für Übersetzung und Theater e.V., denn ihre mangelnde Rezeption geht auch auf einen Mangel an vorliegenden Übersetzungen zurück. Die komplexe Thematik und die sprachliche Ausdruckskraft dieser Werke stellen Übersetzer*innen vor große Herausforderungen. Diese zu meistern erfordert nicht nur umfangreiche sprachliche Kompetenz sondern auch eine genaue Kenntnis der politischen Kontexte, postkolonialen Debatte, kulturellen Verwerfungen und des diskursiven Instrumentariums.

Den Abschluss der Veranstaltungsreihe bildet die Anthologie Afropäerinnen. Theatertexte aus Frankreich und Belgien von Laetitia Ajanohun, Rébecca Chaillon, Penda Diouf und Eva Doumbia“, die alle vier Übersetzungen enthält und am
6. Dezember 2020 im Neofelis Verlag erscheint.